Bericht über den Offenen Abend am 19. November
Fuat Kilic: JETZT muss was passieren, Stillstand ist Rückschritt
Seine Äußerungen über einen möglichen Abschied aus Aachen spätestens zum Ende der Saison 2019/2020 hatten die Fanszene ziemlich aufgeschreckt. Beim Offenen Abend im Werner-Fuchs-Haus bekräftigte unser Trainer und sportlicher Leiter Fuat Kilic seine Aussagen noch einmal, betonte aber auch, dass er die Regionalliga natürlich am liebsten zusammen mit der Alemannia verlassen würde. Auch bei anderen Themen erweis sich Kilic als Mann der offenen Worte.
Zwischenbilanz Saison 2018/2019: Den schwachen Saisonstart führt Fuat Kilic einerseits darauf zurück, dass die wieder einmal fast komplett neuformierte Mannschaft sich erst noch habe finden müssen. Er übte aber auch Selbstkritik. Womöglich habe er zu Beginn einfach zu viele taktische Varianten ausprobiert und das noch unreife Team damit überfordert. Das Schlüsselspiel für die Wende zum Besseren sei dann der 2:1-Sieg bei der Zwoten des 1. FC Köln am neunten Spieltag gewesen.
Allerdings deutet Fuat Kilic den missglückten Auftakt auch als Warnschuss. Man dürfe nicht wie selbstverständlich davon ausgehen, dass man in dieser Liga finanziell ständig auf Sparflamme kochen und einfach immer wieder bei Null könne. Das könne auch mal schiefgehen – und dann stecke man nicht nur für ein paar Wochen, sondern plötzlich dauerhaft im Abstiegskampf fest.
Pokalspiel in Schlebusch: Im wichtigen Mittelrhein-Pokalspiel am 24. November beim Landesligisten SV Schlebusch will Kilic die stärkste Elf aufbieten. Kai Bösing wird wohl wegen einer Knieverletzung ausfallen. Die Partie auf dem harten Kunstrasenplatz in Leverkusen sei kein Selbstläufer; der Gegner verfüge über einige gute Spieler mit Ausbildung in Nachwuchsleistungszentren von Profiklubs.
Ausblick auf Winterpause und Rückrunde: Kilic geht im Moment davon aus, dass die Mannschaft unverändert zusammenbleiben wird, obwohl einige Spieler Ausstiegsklauseln in ihren Verträgen haben und im Winter gegen festgeschriebene Ablösesummen wechseln könnten. Neuverpflichtungen seien allein schon wegen des knappen Geldes nicht geplant. Den Wunsch vieler Fans nach einem Top-Knipser könne er angesichts der trotz sehr guter Spiele zuletzt mageren Torausbeute zwar nachvollziehen, doch so ein Königstransfer derzeit sei einfach nicht realisierbar. Auch Spieler etwa der Güte- und Gehaltsklasse des in Uerdingen ausgemusterten Ex-Alemannen Florian Rüter seien kein Thema.
An Hallenturnieren wird die Alemannia in diesem Winter unter anderem wegen der Verletzungsgefahr nicht teilnehmen. Geplant ist ein Testspiel gegen Wormatia Worms. Die Winterpause endet zum Ärger des Trainers für die Alemannia eine Woche früher als vorgesehen, weil das Heimspiel gegen Köln II auf Anweisung des Verbands auf Freitag, 8. Februar, vorverlegt worden ist.
Bösing, Temür, Holtby: Kai Bösing gehört für Fuat Kilic zu den großen Gewinnern im bisherigen Saisonverlauf. Ihm sei im Sommer nach einem durchwachsenen ersten Jahr klargemacht worden, dass er sich steigern müsse, wenn er in Aachen eine Perspektive haben wolle. „Er ist trotzdem geblieben und hat gesagt, dass er sich noch mehr reinhängen und sich unbedingt bei der Alemannia durchsetzen will. Das hat er mit harter Arbeit geschafft, und jetzt ist er Stammspieler.“
Bösing könnte als Vorbild für einen Spieler dienen, nach dem die Fans den Trainer schon wegen des vielversprechenden Nachnamens oft fragen: Joshua Holtby. Er brauche noch Zeit und müsse hart trainieren, um den Anschluss zu schaffen, so Kilic. Aber Joshua wisse selbst genau, woran es noch mangele – und er sei ein charakterlicher einwandfreier Typ, dem der Durchbruch durchaus noch zuzutrauen sei. Das gilt auch für Mahmut Temür, den Kilic als begnadeten Fußballer bezeichnete. Aber im Moment fehlten ihm noch Tempo und Athletik. Den fünf Kilogramm, die Temür bereits abgespeckt hat, sollen weitere Pfunde folgen.
Perspektiven für die Saison 2019/2020: Kilic ist sich sicher, dass er nun das Grundgerüst für einen Kader beisammen hat, der im nächsten Jahr mit etwas Glück um die Meisterschaft und den Aufstieg mitspielen kann – aber nur, wenn die Leistungsträger diesmal gehalten werden.
Der Alemannia drohe ein Sterben auf Raten, wenn man nicht sehr bald in den Angriffsmodus übergehe, den Etat erhöhe und den Aufstieg fest ins Visier nehme. Ein „Weiter so“ dürfe es nicht geben; Stillstand sei Rückschritt; die Spieler und auch er selbst bräuchten eine Perspektive: „Nicht irgendwann später, sondern genau jetzt muss sich etwas tun!“
Kilic betonte, dass er sich in Aachen nach wie vor rundum wohl fühle, gut mit der Vereinsführung zusammenarbeite und sich mit aller Kraft fast rund um die Uhr für den Verein einsetze. Am liebsten würde er mit der Alemannia aufsteigen. Aber wenn das Gefühl Überhand nehme, dass es trotz aller Bemühungen sportlich einfach nicht vorangehe, werde er wohl oder übel seine Konsequenzen ziehen müssen.
Bisher habe er immer noch gute Profis gefunden, die auch wegen der tollen Fans, des schönen Stadions, des immer noch klangvollen Namens Alemannia Aachen und der Aussicht, mit diesem Verein nach vorn zu kommen, bereit dazu seien, eine gewisse Zeit lang finanzielle Abstriche zu machen und Verträge für wirklich kleines Geld zu unterschreiben, so Kilic weiter. Allerdings drohe er das Vertrauen der Spieler und seine Glaubwürdigkeit bei den Beratern zu verlieren, wenn er Jahr für Jahr aufs Neue Verzicht erbitten und die Spieler immer wieder auf später vertrösten müsse. Er habe in den vergangenen Jahren schon so manchen Profi schweren Herzens gehen lassen müssen, der liebend gern in Aachen geblieben wären, es sich aber schlicht nicht leisten konnte, auf Dauer am unteren Gehaltslimit zu spielen.
Wie viel zusätzliches Geld er konkret braucht, um das Team zusammenzuhalten, konnte oder wollte der sportliche Leiter nicht sagen. Umso deutlicher hob er hervor, wie viel Potenzial in der jetzigen Mannschaft stecke und was man alles erreichen könnte, wenn jetzt in einer gemeinsamen Kraftanstrengung aller, die es gut mit der Alemannia meinen, der nächste Schritt ermöglicht würde.
Fuat Kilic sagte all dies ausdrücklich nicht aus Frust und Enttäuschung heraus, sondern in der Hoffnung, zeitnah zusätzliche Geldgeber für die Alemannia zu begeistern. Nach anderthalb Stunden verabschiedete sich der Trainer Kilic von den Fans im Werner-Fuchs-Haus – allerdings nicht, um den Feierabend mit seiner Familie in Köln zu verbringen, sondern weil er für den späteren Abend noch ein Sponsorengespräch vereinbart hatte.