Die Alemannia-Doku, Teil 13

Teil 13: Alemannia 2000 – zwischen Wahnsinn und Genie von Axel Schaffrath

· 05/06 Der Aufstieg

Der Aufstieg

Simon Rolfes verließ nach einer fantastischen Saison den Tivoli in Richtung Vizekusen und brachte dem TSV eine schöne Ablösesumme. Auch Daniel Gomez fand keinen Platz mehr im Alemannia Kader und heuerte in Cottbus an. Chris Iwelumo war wohl doch nur ein Experiment und konnte sich nie durchsetzen, Dennis Brinkmann war lange im Mittelfeld eine treiben Kraft, ihn zog es aber nach Braunschweig. Mit Goran Szukalo und Matze Heidrich kamen zwei Mittelfeldspieler, Erwin Koen, ein holländischer Stürmer mit einer linken Klebe, sollte für Unterstützung ganz vorne sorgen. Zwei Spieler aber standen für den entscheidenden Unterschied: Marius Ebbers und Sascha Rösler. Bei Marius Ebbers war ich mir sicher: allein die Tatsache dass Marius keine Tore mehr gegen Alemannia schießen konnte war extrem wichtig.

Der Start in die Aufstiegssaison war- wie konnte es bei Alemannia Aachen auch anders sein – sehr wechselhaft. Nach 10 Spielen stand Aachen mit einer ausgeglichenen Bilanz mit 5 Siegen und 5 Unentschieden im tiefen Mittelfeld der Tabelle. Besonders faden Beigeschmack hatte die Heimniederlage gegen Kickers Offenbach (0-1) in Willi Landgraf’s 500. Zweitligaspiel. Ganz hübsch und volkserregend war dabei der Auftritt des OFC Torhüters Sead Ramovic, der mit seinen andauernden Mätzchen den gesamten Tivoli gegen sich aufbrachte – aber man sieht sich ja immer zweimal im Leben!

Eine Woche später folgte dann am Montag ein Besuch in der neuen Allianz Arena in München, jede Menge „Arena Touristen“ wollten sich das an einem Brückentag nicht entgehen lassen, aber es gab nur ein 0-0 zu bestaunen. Gegen den spielerisch starken Aufsteiger Eintracht Braunschweig (mit Trainer Michael Krüger) konnte ebenfalls Montags ein mühevoller 2-1 Sieg herausgearbeitet werden, dabei wurde der Braunschweiger Spieler Martin Amedick zum tragischen Held, erst schoss er den Ausgleich für die Eintracht, dann das Siegtor für Alemannia auf Flanke von Sergio Pinto per Eigentor.

Die Initialzündung folgte gegen den Absteiger VfL Bochum im Ruhrstadion, mit tollem Tempofußball und einem überragenden Jan Schlaudraff wurde der VfL 4-1 abgeschossen! Die unzähligen, stimmungsvollen und lauten Alemanniafans verschafften diesen Auftritt im Fußballherzen „Ruhrpott“ den passenden Rahmen!

Gegen Paderborn gab es ein verdientes, aber etwas glückliches 2-1 durch ein spätes Alex Klitzpera Tor und der TSV stand erstmals in der Saison auf einem Aufstiegsplatz. Zwar ließ man beim 2-2 in Siegen zwei Punkte liegen, schockte dann aber den nächsten Bundesligaabsteiger SC Freiburg im Breisgau mit 2-0. Ein Heimsieg gegen Burghausen am 17. Spieltag reichte dann zur Herbstmeisterschaft. Es war das dritte Mal dass Alemannia Aachen ganz oben in der zweiten Liga überwintern konnte, und natürlich diskutierten die Fans schon vor dem Spiel gegen Burghausen darüber ob es überhaupt sinnvoll sei, Herbstmeister zu werden. Schließlich waren die ersten beiden Winter Meisterschaften nicht im Aufstieg geendet…

In der Rückrunde erwischte Aachen endlich mal einen positiven Auftakt, mit 3-1 wurde Erzgebirge Aue niedergerungen. Im eiskalten Karlsruhe ging dann auf knüppelhartem Boden die Serie von 8 Spielen ohne Niederlage zu Ende, ein überragender Christian Nicht rettete ein Spiel später einen knappen 1-0 Sieg gegen Unterhaching. Spielausfall in Saarbrücken, Unentschieden gegen Cottbus daheim und ein2-0 Sieg in Ahlen am Karnevalssonntag ließen den Vorsprung auf den 4. Platz trotz Nachholspiel auf 6 Punkte anwachsen. So langsam konnte man sich mit dem Aufstieg befassen! Dem 3-2 Sieg gegen Rostock folgte eine kuriose Spielabsage in Fürth, das Spiel wurde zwei Tage später Dienstags nachgeholt und endete 0-0, obwohl Christian Fiel und Erwin Koen zwei „Mega Chancen“ zum Sieg gegen den Angstgegner vergaben. Gegen Dresden wurden drei Punkte geholt und es folgten die entscheidenden Spiele zum Aufstieg.

Die Freitag Abend Partie auf dem Bieberer Berg gegen den OFC war eigentlich ein Spiel Ebbers gegen Sead Ramovic – der bei den TSV Fans noch bestens bekannte Schauspieler im Tor der Kickers. Fußball am Bieberer Berg ist ähnlich wie am Tivoli und deshalb entwickelte sich wohl in der zweiten Halbzeit ein fantastisches Spiel mit richtiger Gänsehautstimmung. In der ersten Halbzeit passierte wenig, ausser dass ein OFC Kicker schon relativ früh mit gelb rot in die Kabine musste und Ramovic gegen Marius Ebbers eine gelbe Karte provozierte! Kurz nach dem Wiederanpfiff war Marius zur Stelle und schickte Sead einen ersten Gruß ins Tor, der Jubel der Aachener Fans direkt hinter und neben dem OFC Keeper kannte keine Grenzen. Doch mitten in die Feierstimmung platzten die Offenbacher mit zwei Treffern und gingen 2-1 in Führung. Kaum waren die Gesichter auf Aachener Seite so richtig lang geworden, war Marius wieder zur Stelle und verlud Ramovic zum Ausgleich. Alemannia spielte jetzt souverän und drückte den OFC weit zurück und konnte sich auf Ebbers verlassen. Denn der setzte dem „Lieblingstorwart“ der Öcher Fans noch zwei Bälle ins Gehäuse und der TSV verließ als 4-2 Sieger den Bieberer Berg. Lange nach Spielschluß hallten noch die Gesänge „Nie mehr zweite Liga“ durch den Offenbacher Wald, bei den Öchern herrschte jetzt Partystimmung.

Nix für schwache Nerven auch der nächste Auftritt der Aachener Tormaschine ein paar Tage später im Nachholspiel bei den wieder erstarkten Saarbrückern im Ludwigspark. Das Spiel begann 15 Minuten später nach einem schweren Verkehrsunfall auf dem Anfahrtsweg zum Stadion. Schnell sorgte Marius Ebbers mit seinem 5. Tor in Folge für das 1-0, Jan Schlaudraff erzielte mit dem 2-0 eine beruhigende Führung. Als man auf Aachener Seite schon mit der 2-0 Pausenführung plante schlichen sich ein paar Unaufmerksamkeiten in das Spiel der Alemannen und schon kamen die Saarbrücker zum 2-2 innerhalb von 2 Minuten. In der zweiten Halbzeit entwickelte sich dann eine packende Partie mit hohem Tempo in der Alex Klitzpera („das wichtigste Tor der ganzen Saison“) das 3-2 markierte. Danach konterte der TSV die anrennenden Saarbrücker klassisch aus – hatte zwar Glück dass die beim Stand von 2-4 einen Elfmeter verschossen – gewann letztlich deutlich mit 5-2 und übernahm wieder die Tabellenführung. Bemerkenswert auch der Einsatz von Christian „Fielo“ Fiel als Trommler bei der anschließenden Feierhumba…

In 17 Spielen seit der Heimniederlage gegen den OFC hatte es nun 12 Siege, 4 Unentschieden und nur eine Niederlage gegeben, eine imponierende Serie mit 40 Punkten. Zwei weitere 1-0 Siege brachten Alemannia dann kurz vor Ostern zum ersten Mal in die Position den Aufstieg aus eigener Kraft auch rechnerisch sicher zu machen. Es kam bekanntlich besser: Am Donnerstag spielte der KSC nur Unentschieden und damit war klar: Sollte Greuther Fürth am Ostersonntag in Saarbrücken nicht gewinnen dann ist Alemannia aufgestiegen! Das Ende des Spiels habe ich wie viele andere und die halbe Mannschaft im Cafe Madrid erlebt, als der Schlusspfiff kam (und Saarbrücken 1-0 gewonnen hatte) war Alemannia nach 36 Jahren zurück in der Bundesliga! Aufstieg in einer Kneipe schrieb die FAZ danach – ich erspare mir die Schilderung der Feierlichkeiten in den nächsten beiden Tagen und merke nur noch an dass das Spiel gegen Bochum am Ostermontag mit 0-2 verloren ging (allerdings zeigte die „Katertruppe“ bemerkenswerten Einsatz), die damit zum zweiten mal am Tivoli den Aufstieg klarmachten. Der Stimmung tat das jedoch zunächst mal keinen Abbruch!

Irgendwie war aber mit diesem „Aufstieg“ in Aachen plötzlich alles anders. Schon im Vorfeld hatte es Veränderungen im Vorstand der Alemannia gegeben (Tim Hammer verließ das Gremium nachdem er sein neues Stadionprojekt in Merzbrück vorgestellt hatte) und jetzt machte das Wort „Ausgliederung“ plötzlich die Runde. Die Profifußballabteilung des Vereins sollte in eine Kapitalgesellschaft überführt werden um damit das Risiko für den Verein und die handelnden Personen zu reduzieren. Zugleich sollten die Weichen für ein neues Stadion an der Krefelderstraße gestellt werden, den potenziellen Bau hatte die Initiative „Pro Aachen“ des Alemanniafans Dirk Heinhuis erst möglich gemacht. Bei dieser Initiative kamen mehr als 10.000 Unterschriften für den Erhalt des Stadionstandortes Aachen zusammen. Niemand anders als der Oberbürgermeister Jürgen Linden nahm sich nun des Stadionneubaus an und – egal wie man zu dem Stadion nun steht – muss man sagen dass er beachtliches geleistet hat um das Stadion tatsächlich zu realisieren. (Ob das nun zum absoluten Wohl der Alemannia wird sei hier mal dahin gestellt)

Aber nicht nur die Veränderungen in der Alemannia Struktur ließen erstes Knirschen im Gebälk ertönen, auch die Tatsache dass Alemannia plötzlich mehr „en vogue“ war denn je ließ viel Gerangel um Kompetenzen und Repräsentationsmacht aufkommen. Nie war der Spruch „der Erfolg hat viele Väter“ so wahr wie in diesen Tagen – jeder wollte auf den Zug Alemannia aufspringen und dabei sein.

Fortsetzung am 11. Januar, 10:00 Uhr

Kommentare: 1 Kommentar

Ein Kommentar zu “Die Alemannia-Doku, Teil 13”

  1. Ante aus Münsterbusch sagt:

    Hallo,Ihr lieben!
    Mit Interesse verfolge ich die Alememannia-Historie. Als jemand,der 1971 zum „richtigen und wahrhaft einmaligen Tivoli“ gekommen ist, sind die Beiträge herzergreifend wie ein guter Film.
    Vielen Dank nochmal an alle Autoren für die kurzweilige Lektüre!
    Schwarz-gelbe Grüße
    Ante aus Münsterbusch
    Ach ja,bevor ich es vergesse: Kann mir irgend jemand ein Luftbild-Foto vom richtigen Tivoli(Link) mit Sicht auf Block P zeigen? Hintergrund: Ich habe meinem Auto ein Foto in DinA2 versprochen….In dem Zusammenhang danke an Hans Libotte für seine Motive

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